Herzlich Willkommen zu einer weiteren Ausgabe der geistigen Steinwüste!
Nachdem ich jetzt ne Stunde lang nach nem gefälligen Thema gesucht habe, war ich kurz davor über das Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster über die korrekte Berechnung der Füllmenge von Wurst zu berichten. [1]
Is jetzt nu doch nicht passiert. Wenns euch trotzdem interessiert, ist die Quelle wie immer am Ende des Beitrags. (Wer nur die mobile Version liest, die lustigen [Zahlen in den Klammen] geben die entsprechende Datenquelle an, die gibts aber nur auf der Website).
Dafür is mir aufgefallen, jetzt wo sich die Wahlen langsam nähern, ich hab ewig nichts mehr über meine Lieblingspartei geschrieben. Aber es sind ja Europawahlen.
Was bietet sich da also mehr an, als sich mal nen ganzen Beitrag lang nur mit der Präsidentin der Europäischen Kommission, Dr. med. Ursula von der Leyen zu beschäftigen, immerhin hat sie ihre Politkarriere ja 1990 bei der CDU begonnen. „Ab November 2010 fungierte sie als stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU. Dabei erhielt sie ab 2014 die jeweils geringste Stimmenzahl aller stellvertretenden Bundesvorsitzenden mit 70,5 Prozent (2014), 72,4 Prozent (2016) und 57,47 Prozent (2018).“ [2]
Zu einer weiteren Kandidatur kam es dann glücklicherweise nicht mehr, denn inzwischen wurde sie zur Kommissionspräsidentin gewählt. Auch hier mit gewohnt guten Ergebnissen (52%) [3] und unterbot damit noch ihren Vorgänger Jean-Claude Juncker [4], den freundlichen älteren Herrn, definitiv ohne Alkoholproblem [5], dem bereits 2015 der Titel „Schandfleck des Jahres […] eine Auszeichnung für gesellschaftlich unverantwortliche Unternehmen, Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen.“ [6] verliehen wurde und vielen durch eine gewisse, nun ja, Wirtschaftsnähe in Erinnerung bleibt.
Aber wie kommt man denn nun überhaupt an die Position zum Ratspräsidenten bzw. der Ratspräsidentin gewählt zu werden?
Wir machen einen kurzen Ausflug in die Vergangenheit.
Seit 2014 gibt es das Spitzenkandidaten-Verfahren. „Es sieht vor, dass jeder europäische Parteienzusammenschluss einen Spitzenkandidaten oder eine Spitzenkandidatin nominiert und mit ihm oder ihr in den Europawahlkampf zieht. Die Kandidatin der Siegerpartei soll am Ende Kommissionspräsidentin werden, sofern sie eine Mehrheit im Rat und im Parlament bekommt.“ [7]
Juncker tritt für die EVP an, die EVP wird stärkste Kraft und wählt Juncker. Fall erledigt.
Das hat so gut funktioniert, dass das Europäische Parlament auf seiner eigenen Website folgendes postuliert: „Das Parlament ist entschlossen, nur Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten zu akzeptieren, die als Spitzenkandidaten ihrer Parteien in den Europawahlkampf gezogen sind.“ (Februar 2018) [9]
2019, Wahlkampf zwischen Manfred Weber (EVP), Margrethe Vestager (Liberale) und Frans Timmermans (Sozialdemokraten). Die EVP gewinnt, schlägt Ursula von der Leyen vor und jeder politisch interessierte Mensch greift sich an den Kopf und fragt sich einfach nur „Warum?“.
Lesen wir also noch einmal in Ruhe nach. Die Parteien ziehen mit einem Spitzenkandidaten in den Wahlkampf. Nach dem Wahlkampf schlägt die stärkste Fraktion einen Kommissionspräsidenten vor. Hier steht erstmal nirgends, dass es sich dabei um dieselbe Person handeln muss. Und nur weil das Parlament noch ein Jahr zuvor „entschlossen“ war, keinen anderen Kandidaten zu akzeptieren, ist das nichts anderes als eine Willensbekundung ohne rechtliche Grundlage. Ich mein, ich kann hier auch reinschreiben, dass ich entschlossen bin kein Bier mehr zu trinken. Wenn ich den Entschluss morgen ändere, passiert aber eben auch genau nichts, außer dass mich irgendwann keiner mehr ernst nimmt.
Wenn also bei der nächsten Wahl Ghandi für die „Identität und Demokratie“ (rechte Fraktion im EU-Parlament) antritt, lesen die Leute Demokratie wählen den Bumms und bekommen dann Hitler als Kommissionspräsidenten mit den Stimmen der „Europäischen Volkspartei“ (EVP) die 20 Jahre lang erzählen, niemals nicht mit Nazis zusammen zu regieren.
Na sowas. Und dann wundert sich noch einer über die Umfragen. „In einer repräsentativen Umfrage unter 18- bis 30-Jährigen in zehn europäischen Ländern geben von den Befragten aus der Bundesrepublik 59 Prozent an, der Demokratie zu vertrauen, 62 Prozent sagen das in Bezug auf die Europäische Union. Von den Befragten aus den anderen neun Ländern vertrauen im Durchschnitt nur 50 Prozent der Demokratie und 57 Prozent der EU.“ [8] Ist ja immerhin noch mehr als die Hälfte, da ist noch Luft nach unten.
Wäre ich EU-Abgeordneter, ich hätte erst einmal die inhärente Überzeugung, dass die Institution Europa eine gute Idee ist (die AFD beweist uns das Gegenteil), weiterhin möchte ich, dass sich die EU weiterentwickelt, von der Bevölkerung angenommen und positiv wahrgenommen wird.
Wäre ich nun Vorsitzender von dem Verein und Identifikationsfigur für 450 Millionen Europäer und nach fünf Jahren Amtszeit bewerten nur noch 35% der Wähler meine Arbeit positiv [10], dann komm ich doch nicht auf den Trichter mich nochmal wählen zu lassen.
Aber ich bin kein EU-Abgeordneter und auch nicht von der CDU.
Andernfalls würde ich auch auf keiner Welt auf die Idee kommen, wenn zusätzlich noch mehrere Verfahren wegen Korruption und Vetternwirtschaft gegen mich laufen würden.
Aber dann lese ich folgendes: „Körner (EU-Abgeordneter FDP) kritisiert zudem, dass die von der Leyen EU-Kommission das Budget der Staatsanwältin kürzen wolle, seitdem bekannt ist, dass die Europäische Staatsanwaltschaft wegen möglicher Korruption gegen die Kommission ermittelt.“ [11]
Der Satz alleinstehend machts vieleicht nicht so deutlich, also stellt euch mal vor, Ihr habt ne Ziegelei und brennt dort Backsteine. Weil Ihr wirklich geile Backsteine macht, bekommen die auch das Gütesiegel „Besonders toller Backstein“. Um dieses Siegel zu tragen, müssen die Steine regelmäßig von einer Kommission geprüft werden. Da außer euch keiner dieses Siegel hat, müsst Ihr die Kommission leider selber anstellen und bezahlen. Da sitzen so zehn Leute drin, die eigentlich nix produzieren, sondern sich nur drüber aufregen, wenn eure Steine mal nicht gut genug sein sollten. Damit Ihr eure Ruhe habt, setzt ihr da natürlich nich die fähigsten Leute rein.
Das geht ganz paar Jahre gut und dann hört ihr irgendwie in der Kantine, dass so zwei Leute dieser Kommission vermehrt Qualitätsproben von besonders schlechten Schichten sammeln. Um das Gütesiegel zu erhallten, müsst ihr aber garantieren, dass ihr den Prüfern nicht vorschreiben dürft, was die da nu genau untersuchen. Also geht Ihr da einfach kurz vor Feierabend rüber und bietet dem Schichtleiter folegndes an:
„Entweder Ihr kontrolliert in Zukunft weniger gründlich, oder du kannst deinen Leuten erklären warum die Hälfte ab Morgen zu Hause bleiben kann, liegt ganz bei dir.“
Gott was bin ich froh, dass wir auch auf europäischer Ebene so eine unabhängige Justiz haben, also noch, bevor diese aus Haushaltsgründen vor Abschluss der Ermittlungen gänzlich eingespart werden muss. Kann man sich nicht ausdenken.
Kurz noch ein kleiner Auszug zu der Personalie von der Leyen. Bezieht sich jetzt größtenteils auf den Wiki-Artikel [2], da findet ihr dann auch die richtigen Quellen, die Mühe mach ich mir jetzt nicht.
Die Plagiatsvorwürfe sind mir an sich noch recht egal. „Auf 27 von 62 Seiten fänden sich Textübernahmen, die nicht als solche gekennzeichnet sind, was einem Anteil von 43,5 Prozent aller Seiten entspreche. Drei Seiten enthielten 50 bis 75 Prozent Fremdübernahmen und fünf Seiten mehr als 75 Prozent Plagiatstext. […] Der Senat entschied am 9. März 2016, dass von der Leyen ihren Grad behalten darf, da es sich um einen minderschweren Fall handele. […] dass es gerade bei der medizinischen Arbeit von der Leyens besonders gefährlich sei, dass sie 23 Fehlverweise enthalte, bei denen die angegebenen Quellen die zitierten Inhalte gar nicht belegten.“
Ist jetzt nicht so, dass andere Berufskollegen, wie Annette Schavan (Bildungsministerin, CDU), Karl Theodor zu Guttenberg (Verteidigungsminister, CSU), Silvana Koch-Mehrin (Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Vizepräsidentin des Europaparlaments) oder Franziska Giffey (Bundesfamilienministerin, SPD) dafür ihren Posten eingebüßt hätten, um nur mal einige Namen zu nennen.
Dann war da noch was mit Beraterverträgen in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin.
Es handelte sich wohl ihrer Aussage zufolge um Fehler bei der Auftragsvergabe.
Dazu gabs dann auch nen Untersuchungsausschuss: „Nach Berichten der Süddeutschen Zeitung wurden für die Untersuchung relevante Handydaten gelöscht, Akten unzulässig geschwärzt und Dateien vernichtet. An beiden von der damaligen Ministerin genutzten Mobiltelefonen wurden Textnachrichten entfernt. So nahm ein IT-Sachbearbeiter der Abteilung CIT des Ministeriums an einem der beiden Mobiltelefone eine „Sicherheitslöschung“ vor, nach der es endgültig entsorgt wurde…“
Im Internet finden sich noch mehrere krude Quellen, ihr Sohn sei Associate bei McKinsey (die Bude, die den größten Brocken der Beraterverträge bekommen hat), dafür hab ich auf die Schnelle aber keine belastbaren Quellen gefunden. Das ihre Beraterin, Kathrin Suder, ehemalige McKinsey Direktorin war, ist hingegen kein großes Geheimnis. Wie die wohl an den Posten gekommen ist…
Paar Jahre später gibt’s dann einen Milliarden-Deal mit dem US-Pharmakonzern Pfizer. Auch hier gab es wieder SMS-Absprachen, die aus irgendeinem Grund erst nicht existierten, dann doch existierten, aber nicht eingesehen werden konnten, da privat. Ging auch nur um 35 Milliarden Euro. Dafür hat man dann immerhin großzügig kalkuliert und für jeden Einwohner gleich 10 Impfungen bestellt. Die wurden dann zwar auch geliefert, aber irgendwie halt nicht alle gebraucht.
Da es in anderen Ländern, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent immer noch sehr geringe Impfquoten und noch weniger Impfstoff gab, wollte man den dann dahin verkaufen. Das war allerdings nicht möglich, da dieser speziell für den Europäischen Markt geliefert wurde und der Kaufvertrag selbiges untersagte. Man durfte das Zeug am Ende nicht mal verschenken, aber das ist nochmal ne andere Sache…
Reicht aber irgendwie immer noch nicht, direkt vor der Wahl muss man auch noch mal einen bringen. „Nachdem von der Leyen in ihrer Rolle als EU-Kommissionspräsidentin den hoch dotierten Posten als Mittelstandsbeauftragter an Markus Pieper (von der CDU) trotz seines letzten Platzes im Auswahlverfahren vergeben hatte, kam es zum Vorwurf der Günstlingswirtschaft. Das EU-Parlament forderte im April 2024 mit 382 zu 144 Stimmen die EU-Kommission auf, die Ernennung rückgängig zu machen und ein neues Bewerberverfahren durchzuführen.“
Immerhin hat der Dude, obschon von der CDU, den Anstand gehabt, auf das Amt zu verzichten.
Am Ende muss man natürlich auch sagen, für nichts davon wurde Frau von der Leyen bisher rechtskräftig verurteilt und ganz tief in mir drin weiß ich auch, sie kann da nix für.
Obwohl sie sich ne Riesenmühe gibt, klappts halt nich immer und wenn die Welt halt einfach mal böse zu dir ist, da machste nix.
Wenn Ihr noch spannende Themen habt, meldet euch gern. Außer Krieg ist in den Nachrichten ja gerade nich viel zu holen und das ist mir gerade zu fad, da auch noch ewig drüber zu schreiben.
Wie gewohnt, abschließend natürlich die Weisheit zum Sonntag:
„Zynismus ist das Ergebnis einer Verbindung von Bequemlichkeit mit Machtlosigkeit.“
– Bertrand Russell
Für Krone und Kommunismus!
[1] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/gerichtsentscheidung-wurst-gewicht-102.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Ursula_von_der_Leyen
[3] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20190711IPR56824/parlament-wahlt-ursula-von-der-leyen-zur-prasidentin-der-eu-kommission
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Claude_Juncker#Kandidatur_Pr%C3%A4sident_des_Europ%C3%A4ischen_Rates_und_der_Europ%C3%A4ischen_Kommission
[5] https://www.nzz.ch/international/koenig-alkohol-ld.1405444
[6] http://www.schandfleck.or.at/schandfleck-des-jahres-geht-an-henry-am-zug-und-juncker/
[7] https://www.zeit.de/campus/2019-07/eu-postenvergabe-kommission-ursula-von-der-leyen-demokratie-buergernaehe#
[8] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2024/februar/junge-menschen-in-deutschland-vertrauen-der-demokratie-und-der-eu
[9] https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20180202IPR97026/europawahl-2019-parlament-wird-am-prinzip-des-spitzenkandidaten-festhalten
[10] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1389233/umfrage/zufriedenheit-mit-ursula-von-der-leyen-als-eu-kommissionspraesidentin/
[11] https://www.telepolis.de/features/Impfstoff-Deals-Europaeische-Staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-Ursula-von-der-Leyen-9724096.html