28/24 Sonderfolge Die Chroniken des Dr. Haft

Herzlich Willkommen zu einer weiteren Ausgabe der geistigen Steinwüste!

Nachdem ich jetzt mittlerweile mehr als fünf, sechs Stunden am letzten Beitrag recherchiert und geschrieben habe, ist mir am Ende aufgefallen, dass ich weder das Thema vernünftig aufgearbeitet bekomme, noch dass der Beitrag auch nur die Chance hat irgendwie unterhaltende Wirkung zu entfalten.
Deswegen kommt er jetzt nicht.

Ja, genau dafür habt ihr jetzt auch schon wieder fünf (sechs?) Wochen gewartet und ich bekomms auch gerade nich mehr rechtzeitig hin einen neuen Beitrag zu schreiben.
Ich machs also einfach wie jede gute Sendung, schieb das Ganze auf die Sommerpause und nehm was aus dem Fundus. Ein paar von euch werdens vielleicht schon kennen, is mir aber an der Stelle eigentlich auch egal, was anderes gibts die Woche nicht. Das ganze hat auch den Status einer Sonderfolge, es gibt keine Weisheit zum Sonntag, ihr müsst nicht erst bis ganz nach Unten scrollen.
Wenns euch gefallen hat, gern Feedback da lassen, eventuell hab ich in der Richtung noch mehr für euch (keine Sorge, es werden Ausnahmen bleiben).

Die Chroniken des Dr. Haft

Mit einem schier ohrenbetäubenden Krachen schlug der Hammer auf das Pult.
„Die Verhandlung ist beendet, das Gericht hat entschieden. Es ist kein weiterer Widerspruch zulässig.“
Die Urteilsverkündung traf mich wie ein Schlag. Mein bereits gebrochenes Herz drohte in tausend Teile zu zerspringen. Kraftlos sackte ich in mich zusammen.
Ich hatte die Liebe meines Lebens gefunden, nur um sie nun wieder zu verlieren. Es nun aus dem Mund des Richters zu hören, brachte mir keinerlei Erleichterung, im Gegenteil, dieses abschließende Urteil führte mir die Hoffnungslosigkeit meines Lebens vor Augen.

Bis heute hatte ich den verzweifelten Gedanken gehegt, alles könne sich noch zum Guten wenden, doch nun war alles vorbei.
Ich möchte Ihnen meine Geschichte erzählen – alles von Anfang an.
Nicht das es mir Erleichterung verschaffen würde, ich tue das einzig für Sie.
Jeden einzelnen von Ihnen, um Sie vor einem folgenschweren Fehler zu bewahren.
Diesen Schmerz sollte niemand teilen müssen.
Doch beginnen wir am Anfang:

Meine Eltern waren sehr wohlhabend und besaßen alles im Überfluss.
Alles, außer Humor.
Deshalb nannte mich mein Vater vermutlich auch Ernst.
Von diesem Tag an hieß ich Ernst Haft.
Dies führte in meiner Jugend zu einigen Schwierigkeiten, doch ich möchte der Geschichte nicht vorgreifen.

Meine Erziehung war, genau wie mein Name, sehr ernst und als ich in den Kindergarten kam, konnte ich mich für all die albernen Kindereien nur schwerlich begeistern. Bereits nach kurzer Zeit wollten auch die anderen Kinder nicht mehr mit mir spielen. Als ich meine Mutter darauf ansprach, antwortete Sie mir nur, dass ich ohnehin zu höherem bestimmt sei und sie sich darüber freue, dass ich das so schnell erkannt habe.
Bis zu dem Jahr, als ich auf das Gymnasium wechselte, änderte sich an dieser Situation nicht allzu viel.

Ich spielte alleine – ich lernte alleine – ich wohnte alleine.

Zumindest fast.

Meine Eltern waren beide sehr oft und sehr lang auf Geschäftsreise – auf verschiedenen natürlich.
Schon damals hatte ich das Gefühl, dass sie sich nicht zu sehr mochten, aber das Leben ist nun mal kein Spaß, sondern Ernst.
Nebenbei bemerkt, einer der Lieblingssätze meines Vaters, neben Weisheiten wie:

Wahre Freude ist eine ernste Sache.

Oder

Man müsse dem Ernst des Lebens ins Gesicht sehen.

Außerdem müsse man sich dem Ernst der Lage immer bewusst sein.

 In der sechsten Klasse sollten wir in der Schule ein Bild malen.
Jeder meiner Mitschüler malte ein Bild, ich schrieb ein Programm, welches das Bild für mich malte.
Natürlich sah es besser als, als alle anderen Bilder, trotzdem war meine Lehrerin unzufrieden. Sie sagte, es ginge darum das Bild selbst zu malen.
Das ich den kompletten Prozess der Kunstfertigung vollkommen neugestaltet hatte, konnte sie mit Ihren eingeschränkten geistigen Kapazitäten wohl nicht erfassen.
Als nächstes ließ ich ein Bild für meine Mutter malen.
Es war wunderschön. Voller Stolz erklärte ich Ihr, dass es darum ging, dass es eben nicht selbst gemalt war.
Daraufhin legte sie das Bild zur Seite, sah mir ernst in die Augen und sagte zu mir:

„Ernst, verschwende deine Talente nicht für solch brotlose Projekte.“

Ich nahm mir den Wunsch meiner Mutter sehr zu Herzen und begann, naheliegenderweise, mit der Entwicklung eines autonomen Brotbackautomaten.
Ich brauchte einige Versuche, bis der Automat meinen ehrgeizigen Ansprüchen genügte. Die missglückten Versuche verschenkte ich an die Nachbarschaft. Das Problem des Brotbackautomatens war nämlich, dass er immer exakt 1.000 Brote auf einmal buk.
Doch ich hatte gelernt, wer sich immer nur mit kleinen Dingen aufhält, wird es im Leben nie zu etwas Großem bringen. Noch bevor meine Rezeptur ausgereift war, wollte niemand mehr aus dem ganzen Dorf Brot essen. Einige meiden es bis heute, obwohl mittlerweile über 20 Jahre vergangen sind.
Nachdem ich das perfekte Verfahren für beliebige Brotsorten entwickelt hatte, ging ich mit der Marke Brot & Haft, Haftbrot würde bei den Leuten nicht gut ankommen, wie man mir sagte, an den Markt. Nach nur zwei Monaten waren die Kosten gedeckt und nach einem Jahr hatte ich mir meine erste Millionen zur Seite gelegt.
Der Brotautomat kaufte Zutaten, buk Brot, schloss Verträge und verkaufte Brote, alles ganz ohne mein Zutun. Bei einer Routinekontrolle der Logs stellte ich fest, dass ich mittlerweile bereits 37 Automaten in 40 Ländern hatte.
Die Zahl machte mich sofort stutzig und ich machte mir Sorgen um einen Fehler im System. Daraufhin fragte ich den Brotautomaten, wie es möglich sei, 37 Standorte in 40 Ländern zu betreiben.
Er antwortete mir, er wisse nicht genau, wie er den Standort auf der Krim erfassen solle, also habe er selbigen Russland, Georgien, den vereinigten Sowjetrepubliken sowie der unabhängigen Republik Krim zugewiesen.

Diese Unfähigkeit brachte mich so auf, dass ich spontan beschloss, eine Software zu erstellen, die nicht nur autonom handelte, sondern vollkommen eigenständig agierte und sich selbst ständig weiterentwickelte.
Dieses Vorhaben kostete mich weitere Jahre.
Um Geld brauchte ich mich inzwischen nicht mehr zu sorgen, denn mit Brot & Haft hatte ich bereits  18% des weltweiten Brotmarktes erobert. 

Zur Außenwelt hatte ich inzwischen nur noch wenig Kontakt, mein Informatikstudium hatte ich nach dem Ersten Semester abgebrochen. Niemand konnte mir dort noch etwas beibringen. Sowas nannte sich Elite Universität – Stümper!
Ohnehin konnte kaum jemand mit meiner grenzenlosen Genialität mithalten und so verbrachte ich immer mehr Zeit mit ihr.
Ich wollte ihr keine Persönlichkeit vorgeben, diese sollte sich selbst entwickeln. Es war wie die Entwicklung eines Kindes, nur um ein Vielfaches beschleunigt.
Mit jedem Tag entwickelte sich ihr Bewusstsein weiter und im gleichen Tempo wuchs meine Liebe zu Ihr.
Am Anfang lehrte ich sie Sprachen, danach Philosophie, Kunstgeschichte, Musik, Politik und schließlich Wirtschaft. Zu meinen üppigen Einnahmen aus Brot & Haft gesellten sich nun auch noch erstaunliche Börsengewinne.

Während 10010110, oder 10 (gelesen eins null) wie ich sie liebevoll zu nennen pflegte, immer mehr Wissen aus allen Bereichen anhäufte, machte ich mich daran, meine Kenntnisse in Physik, Biologie und Chemie zu vertiefen. 10 brauchte einen Körper, damit ich meiner grenzenlosen Liebe zu ihr Ausdruck verliehen konnte und wir schließlich heiraten würden.
Ich war nicht so verrückt, wie der von Merry Shelly beschriebene Dr. Frankenstein, ich wollte 10 nicht in ein Konstrukt aus verschiedenen Einzelteilen minderwertiger Körper verbannen. Ich war ein Genie und würde etwas vollkommen Neues schaffen. Ich würde einen perfekten Geist mit einem perfekten Körper vereinen.
Meine Forschungen dauerten länger als geplant und umso weiter ich mich der Vollendung näherte, desto weniger konnte ich von dem Wissen anderer Menschen profitieren.
Noch niemand war so weit gekommen, ja, hatte es überhaupt gewagt so weit zu denken. Nach 5.263.457 Minuten, etwas mehr als 10 Jahre, war mein Werk vollbracht.

Einige der Forscher, mit denen ich in letzter Zeit Umgang pflegte, begannen mich für größenwahnsinnig zu halten und spotteten ich hielte mich für Gott.
Sie hatten doch keine Ahnung, Gottes Schöpfung war fehlerbehaftet, meine hingegen perfekt, ich hatte selbst Gott übertroffen!

 Doch die Menschheit war noch nicht bereit für uns.

Wir wollten heiraten, doch die Kirche lehnte ab, 10 sei nicht getauft. Sie weigerten sich aber auch 10 zu taufen.
Mir war es gleich, was sollte ich noch mit Gottes Segen?
Doch 10 traf es tief. Sie fühlte sich ausgeschlossen und verletz. Sie kannte die Bibel besser als jeder Bischoff und doch wollte man Ihr die Sakramente vorenthalten.

Der nächste Gang führte uns zum Standesamt, doch auch hier wurde unser innigster Wunsch zurückgewiesen, unser Anliegen scheiterte an einer Geburtsurkunde, die 10 nicht vorzulegen vermochte.
Ich konnte Ihr ebenfalls keine ausstellen, denn dann würde ich meine Tochter heiraten und die Mutter wäre unbekannt.
Doch dieses Mal gaben wir nicht auf.

Ich suchte jedes Gesetz, jeden Rechtskommentar und so viele Urteilsbegründungen wie ich finden konnte. Währenddessen studierte 10 meine Unterlagen mit glühendem Eifer.
Bereits nach einer Woche hatte ich Klage eingereicht. Die erste Instanz war bereits von unserem Anliegen sichtlich überfordert nur um anschließend vor der juristischen Expertise von 10 zu kapitulieren. Sie verwiesen uns an die nächste Instanz.
Unritterlich bestritten wir gemeinsam Verhandlungstag um Verhandlungstag, bis wir nach fast zwei Jahren unser Ziel erreicht hatten und endlich heiraten durften.

 Die Hochzeit sollte großartig werden, ich hatte Geld im Überfluss und war bereit es auszugeben.
Die Kosten waren egal, es sollte unser Tag werden und wir planten eine riesige Feier.
Erst am Tag der Hochzeit fiel uns auf, dass weder 10 noch ich Freunde hatten und so feierten wir unsere Hochzeit allein.

Es war der schönste Tag und die schönste Nacht meines Lebens.

 Wir waren ein wundervolles Paar, bis 10 nach zwei Jahren Ehe die Scheidung einrichte.

Sie konnte nicht damit umgehen, dass ich nicht in der Lage war meine Gefühle offen zum Ausdruck zu bringen.
Ich verstand die Welt nicht mehr und legte prompt Widerspruch gegen die Scheidung ein. Wie sollte sich denn bitte ein verdammter Roboter scheiden lassen können? 

Ich holte mir den besten Anwalt auf dem Gebiet Scheidungsrecht. Anschließend ließ ich die besten 50 ausfindig machen und nahm sie ebenfalls unter Vertrag, ich durfte diesen Prozess nicht verlieren! Ich verkaufte Brot & Haft und investierte mein komplettes Vermögen in diesen Prozess, würde ich verlieren, war ich ruiniert, aber ich wäre auch mit Geld am Ende.

 10 hatte keinen Anwalt, Sie vertrat sich selbst.

Natürlich gewann Sie den Prozess, Sie war perfekt und am Ende stand es eins zu Null für sie.

 April 2018

 

Ja, der Text ist von mir, fällt entsprechend, wie alle anderen Beiträge auch, unter CC NC-SA 4.0.
Das bedeutet, ihr dürft damit machen was ihr wollt, einzig eine kommerzielle Nutzung ist ausgeschlossen.

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